Wirtschaft

Wie sinnvoll ist die Umsatzsteuersenkung?

Im Rahmen des Konjunkturpaketes der Bundesregierung (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) wurde neben vielen weiteren Maßnahmen auch die temporäre Senkung der Umsatzsteuersätze beschlossen: Der allgemeine Umsatzsteuersatz soll von derzeit 19% auf 16% und der ermäßigte Satz von aktuell 7% auf 5% gesenkt werden. Die Umstellung soll vom 01.07.2020 bis Ende des Jahres wirksam sein. 

Erstaunlich ist, dass sich bisher relativ wenig Widerstand gegen diese Maßnahme regt, obwohl sich die Regelung bei genauerer Betrachtung als wenig durchdacht und zielführend erweisen dürfte.

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei der Umsatzsteuer, die umgangssprachlich auch als Mehrwertsteuer bezeichnet wird, um eine reine Verbrauchssteuer handelt. Sie belastet die Endabnehmer*innen der erworbenen Leistungen oder Produkte, macht diese also faktisch teurer. Für Unternehmen hingegen ist die Steuer kostenneutral. Die vereinnahmte Umsatzsteuer wird mit der gezahlten Vorsteuer, also der an andere umsatzsteuerpflichtige Unternehmen gezahlten Umsatzsteuer, verrechnet. Durch diese Kostenneutralität entfacht die Umsatzsteuer folglich keinerlei konjunkturelle Wirkung im Hinblick auf die Wertschöpfung von Unternehmen untereinander, da hier lediglich Nettopreise von Belang sind. 

Zu befürchten steht, dass große Einzelhandelsketten und Internetfirmen mit massivem Marketing die Preissenkung bewerben und damit den lokalen Einzelhandel und Kleinunternehmen weiteren Schaden zufügen werden.

Aus Verbrauchersicht mag die Senkung der Umsatzsteuer zunächst attraktiv erscheinen, stellt sie doch in Aussicht, dass Konsumgüter und Dienstleistungen bis Ende des Jahres 2%-3% günstiger werden. Ob die Umsatzsteuersenkung aber tatsächlich an die Verbraucher*innen weitergegeben wird, ist nicht absehbar. Eine Pflicht dazu gibt es in der Regel nicht. Zu befürchten steht, dass große Einzelhandelsketten und Internetfirmen mit massivem Marketing die Preissenkung bewerben und damit den lokalen Einzelhandel und Kleinunternehmen weiteren Schaden zufügen werden. Diese sind jedoch durch die coronabedingten Schließungen und Einbußen sprichwörtlich auf jeden Cent Umsatz angewiesen und werden es sich schlichtweg nicht leisten können, Preissenkungen an ihre Kund*innen weitergeben zu können. 

Hinzu kommt der immense Umstellungsaufwand und die damit verbundenen Kosten. Waren müssen neu ausgepreist und etikettiert werden, IT- und Kassensysteme aktualisiert, Werbemittel, Drucksachen und Websites geändert, die Buchhaltung umgestellt und Verträge angepasst werden. Und diese Maßnahmen müssen gleich zweimal umgesetzt werden: einmal zu Beginn der Umsatzsteuersenkung am 01. Juli 2020 und einmal mit deren Ende am 31. Dezember 2020. 

Der größte Kritikpunkt an der Senkung der Umsatzsteuer besteht jedoch darin, dass von ihr keinerlei politische Steuerungswirkung ausgeht.

Der größte Kritikpunkt an der Senkung der Umsatzsteuer besteht jedoch darin, dass von ihr keinerlei politische Steuerungswirkung ausgeht. Die Denkweise dahinter ist so plump wie eindeutig: Steigern wir den Konsum, dann wird alles (wieder) gut. Mit anderen Worten:  Konsum als Allheilmittel. Mit Vollgas zurück ins Gestern! Was scheren uns die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel? Müssen wir irgendwelche Lehren aus der aus den Fugen geratenen Globalisierung und einem enthemmten Kapitalismus ziehen?

Die Botschaft ist klar: Wer viel konsumiert, spart auch viel. Die Umsatzsteuersenkung begünstigt vor allem große Anschaffungen und Menschen mit hohen Einkommen.

Ganz im Gegenteil. Die Botschaft ist klar: Wer viel konsumiert, spart auch viel. Die Umsatzsteuersenkung begünstigt vor allem große Anschaffungen und Menschen mit hohen Einkommen. Beim Kauf des nächsten SUVs oder beim Hausbau lohnt es sich richtig. Wer eh zu knapsen hat und dessen Reserven krisenbedingt erschöpft sind, dem helfen auch die 2%-3% Prozent nicht. Wer nichts ausgeben kann, schaut in die Röhre.

Das Fazit: Die konjunkturelle Wirkung der Umsatzsteuersenkung ist fraglich. Der immense Aufwand und die Kosten der temporären Umstellung bedeuten gerade für viele kleine und lokale Unternehmen eine erhebliche Mehrbelastung mit höchst ungewisser Aussicht auf zusätzliche Umsätze. Profitieren werden Internethändler, Großunternehmen und Einzelhandelsketten mit ihrer jetzt schon großen Markt- und Marketingmacht, sowie private Großverdiener*innen, die ihre kostspieligen Anschaffungen bis zum Jahresende tätigen werden. Auf der Strecke bleiben durch diese Maßnahme Menschen mit Verdienstausfällen und geringem Einkommen, ebenso wie die Chancen zur Gestaltung einer nachhaltigen, zukunftsfähigen und klimafreundlichen Wirtschaftspolitik.

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