Kultur

Die Lücken der Novemberhilfe

Mit der Ankündigung der Novemberhilfe verspricht die Bundesregierung eine „wirksame und schnelle Hilfe“, insbesondere für Soloselbstständige und die „hart betroffene Kultur- und Veranstaltungsbranche“ und weckt wieder einmal die Hoffnung auf zeitnahe, unbürokratische Unterstützung.

Bei genauerem Hinsehen und in einem ersten Praxischeck zeigt sich jedoch, dass die Maßnahmen an den Bedarfen der Musikschaffenden zum großen Teil vorbeizielen dürften und viele Kreative und deren berufliches Umfeld am Ende mit leeren Hände dastehen werden.

Wo genau liegen die Probleme? 

Musiker*innen müssen explizit als direkt Betroffene berücksichtigt werden!

1. Musiker*innen oder auch DJs sind nach aktueller Definition und den Richtlinien der Novemberhilfe nicht direkt betroffen, da sie nicht „… auf der Grundlage des Beschlusses des Bundes und der Länder vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb einstellen mussten.“ Dies sind im Falle der Musikbranche lediglich die Konzertveranstalter*innen und die Spielstättenbetreiber*innen, nicht jedoch die Kreativen. Dies ist fatal und nicht vermittelbar. Musiker*innen müssen explizit als direkt Betroffene berücksichtigt werden!

2. Auch indirekt dürften die meisten Musiker*innen nicht betroffen sein, da sie nicht ausschließlich vom Livegeschäft leben, sondern auch zusätzliche Einnahmequellen haben bspw. aus Lizenzeinnahmen oder Merchandisingverkäufen. Diese dürften bei vielen regelmäßig mehr als 20% des Umsatzes ausmachen, so dass dies ein KO-Kriterium für die indirekte Betroffenheit ist, denn diese setzt voraus, dass „… nachweislich und regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen …“ erzielt werden müssen.

Es wird zudem außer Acht gelassen, dass sich diese Einnahmen einander bedingen, sprich: Wenn eine Band auftritt, sorgt dies für mehr Merchandisingverkäufe auf Tour, mehr Radiopräsenz, mehr Streams und damit auch für mehr Lizenz- und GEMA-Einnahmen. Mit anderen Worten: Der Ausfall von Livekonzerten zieht einen erheblichen weiteren Einnahmeausfall nach sich.

3. Darüber hinaus ist die Vorgabe, dass nachweislich und regelmäßig 80 Prozent der Umsätze mit direkt von den Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen erzielt werden müssen willkürlich und sagt nichts über die derzeitige wirtschaftliche Lage eines Unternehmens oder einer Person aus. Auch bspw. 70, 60 oder 50 Prozent Umsatzeinbußen treffen Unternehmen und Soloselbstständige in aller Härte und dürften in vielen Fällen durchaus existenzgefährdend sein. Hier wäre eine anteilige Unterstützung je nach Höhe des Umsatzes bzw. des Umsatzentgangs eine vernünftigere Lösung.

4. Verbundene Unternehmen werden als gemeinsam antragsberechtigt bzw. antragspflichtig angesehen, d.h. deren Umsätze werden für die Antragstellung kumuliert. Der Hintergrund ist nachvollziehbar: Es soll Missbrauch bei Unternehmen mit (nahezu) identischen Gesellschafter*innen vorgebeugt werden. Viele professionelle Musiker*innen haben jedoch bspw. ihr Lizenz- und Merchandisinggeschäft, also ihre gewerbliche Tätigkeit, in eine separate Unternehmung ausgelagert, um ihre Freiberuflichkeit und damit u.a. die Versicherungsmöglichkeit über die Künstlersozialkasse nicht zu gefährden. Konkret hat dies zur Folge, dass eine Band, die das ganze Jahr über nicht auftreten konnte und keinerlei Einnahmen aus dem Livegeschäft hat, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht antragsberechtigt ist, weil die unter 2. genannten Umsätze ihr zum Nachteil gereichen. Hinzu kommt, dass diese oft erst mit großer zeitlicher Verzögerung von bis zu 9 Monaten abgerechnet werden und daher die Einnahmesituation im laufenden Jahr verzerren. Daher sollte bei verbundenen Unternehmen die Antragsberechtigung auf ein Unternehmen und dessen Umsätze zu beschränkt werden. Damit wäre sichergestellt, dass die Ausfälle der Livehonorare im Rahmen der Hilfsmaßnahmen auch wirklich berücksichtigt werden.

5. Die Tatsache, dass Musiker*innen nicht als direkt Betroffene im Rahmen der Novemberhilfe gelten, hat fatale Folgen für alle Menschen, die mit ihnen zusammenarbeiten und ihre Dienstleistungen für sie erbringen, also Manager, Booker, Tourcrew etc.. Da die Musikschaffenden nicht direkt betroffen sind, sind die Dienstleister*innen auch nicht indirekt betroffen, demnach nicht antragsberechtigt und gehen komplett leer aus. Diese Lücke gilt es dringend zu schließen!

Fazit: Sicher ist es schwierig, all den vielfältigen Bedarfen der Kultur- und Kreativbranche mit passgenauen Hilfsprogrammen gerecht zu werden. Im Rahmen der Musikbranche stellen die Novemberhilfen zumindest für die Veranstalter*innen und Kulturstättenbetreiber*innen eine immens wichtige Unterstützung dar. Für Musiker*innen bedarf es allerdings umgehend einer Nachjustierung der Maßnahmen. Sie müssen dringend als direkt Betroffene antragsberechtigt sein und Umsatzeinbußen müssen auch anteilig berücksichtigt werden!

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