Wow! Vielen, vielen Dank für Platz 10 auf der Landesliste der schleswig-holsteinischen Grünen zur Bundestagswahl 2021!
Ich bedanke mich für das große Vertrauen, das mir mit der Wahl auf Platz 10 entgegengebracht wird, insbesondere auch dafür, dass unsere Partei damit die gesellschaftliche Relevanz guter Kulturpolitik noch einmal nachdrücklich betont.
Ich freue mich sehr darauf, gemeinsam mit unserem Spitzenduo Luise Amtsberg und Robert Habeck einen Wahlkampf mit Herz und Weitblick, mit Zuversicht und Leidenschaft, führen zu dürfen.
Für die Bürgerinnen und Bürger, für Klimaschutz, für Weltoffenheit und Gerechtigkeit! Für eine saubere Politik, neue Ideen und klare Werte.
Wir haben mit der Bundestagswahl am 26. September die große Chance, einen echten Wandel für eine lebenswerte Zukunft in diesem Land zu erreichen. Für die Bürgerinnen und Bürger, für Klimaschutz, für Weltoffenheit und Gerechtigkeit! Für eine saubere Politik, neue Ideen und klare Werte.
Nachfolgend meine Rede vom vergangenen Samstag.
Rede zur Listenaufstellung Landesparteitag 27.03.2021
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Delegierte zu Hause vor den Bildschirmen!
Es ist still und es ist trist geworden in unserem Land!
Konzerte und Festivals fallen aus, die Säle der Theater sind leer, Kinos warten auf neue Filmproduktionen, Orte der kulturellen Bildung waren und sind wieder geschlossen und die Künstler*innen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft kämpfen mittlerweile seit einem Jahr verzweifelt um ihre Existenz und blicken in eine mehr als ungewisse Zukunft.
Der Regisseur Tom Bohn hat es kürzlich ebenso schön wie gnadenlos auf den Punkt gebracht, als er in einem Zeitungsbeitrag schrieb „Unsere Gesellschaft verliert ihre Seele und merkt es nicht einmal.“
Wir reden über eine Krise in einem Ausmaß, wie ich sie in den fast 30 Jahren, in denen ich in der Kulturbranche tätig bin, noch nicht erlebt habe. Eine ganze Branche stirbt gerade vor unseren Augen!
Und dabei handelt es sich bei keinesfalls um eine Nische, sondern um einen Wirtschaftszweig mit 1,2 Millionen Erwerbstätigen und rund 180 Mrd. Euro Umsatz – um eine der umsatzstärksten Branchen in Deutschland – noch vor der Metall- und der Bauindustrie.
Aber mit ihrem viel zu zögerlichen Handeln, dem Kompetenz- und Zuwendungswirrwarr und bis heute vielfach nicht ausgezahlten November- und Dezemberhilfen betätigt sich die Bundesregierung gerade als Totengräber dieser Branche.
Denn die bittere Realität sieht so aus, dass täglich Kulturstätten auch hier in Schleswig-Holstein dauerhaft schließen müssen, Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren und unwiederbringliche Schäden in unserer Kulturlandschaft entstehen! Das zeigt, dass selbst in dieser unvergleichlichen Notlage die Große Koalition die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativbranche nicht annähernd anerkennt – und das, liebe Freundinnen und Freunde, muss sich dringend ändern!
Es darf einfach nicht sein, dass weiterhin Zehntausende Soloselbstständige, nicht nur der Kultur- und Kreativbranche, im Regen stehen gelassen werden und es noch immer keine passenden Hilfsmaßnahmen und keine adäquate soziale Absicherung für sie gibt.
Eine sogenannte Soforthilfe, die seit fünf Monaten nicht ausgezahlt wird, verdient diesen Namen einfach nicht. Das ist nicht nur zynisch in den Augen der betroffenen Menschen, sondern schlicht und einfach politisches Versagen dieser Regierung.
Und dabei liegt die Lösung in Form eines bundesweit einheitlichen und unbürokratisch zu gewährenden Grundeinkommens für die Dauer der Krise längst auf der Hand! Wann, wenn nicht jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür, frage ich euch? Nur: Es fehlt der Regierung wohl an politischem Mut und Weitsicht, diesen Schritt zu gehen. Und deshalb brauchen wir dafür neue parlamentarische Mehrheiten – mit einer starken Grünen Beteiligung im nächsten Bundestag!
Als Vorstandssprecher des Kreisverbands Pinneberg und Sprecher der LAG Kultur habe ich viele Gespräche mit Kulturschaffenden und Kreativen, die sich in existenzieller Not befinden geführt. Und diese haben mich noch einmal in dem bestärkt, was zuvor schon offensichtlich war, aber durch die Corona-Pandemie noch viel dringlicher wird und weshalb ich hier und heute vor euch stehe:
Wir brauchen endlich mehr kulturellen Sachverstand in der Bundespolitik – nicht nur in dieser Krise, sondern dauerhaft!
Denn um kluge kulturpolitische Entscheidungen zu treffen, muss Politik endlich verstehen, dass gute Kulturpolitik eine Querschnittsaufgabe ist: Egal, ob es um die Finanz- und Steuerpolitik, das Arbeits- und Sozialrecht, das Mietrecht oder wirtschaftspolitische Entscheidungen geht – wir sollten wir uns immer die Frage stellen, ob auch Belange der Kultur betroffen sind. Dafür möchte ich mich in der kommenden Legislaturperiode im Bundestag stark machen!
Zeitgemäße Kulturpolitik bedeutet aber auch, dass wir uns endlich mit der umfangreichen Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes und der damit verbundenen Verbrechenauseinandersetzen! Denn in unserer kolonialen Vergangenheit liegen die Wurzeln für die globalen Ungerechtigkeiten, deren Folgen wir heute mehr denn je zu spüren bekommen. Sie ist ein maßgeblicher Grund für die heutigen Fluchtursachen und für einen tiefsitzenden Rassismus in unserer Gesellschaft.
Dieser Verantwortung müssen wir uns endlich stellen. Deshalb möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir die kulturhistorische Forschung in diesem Bereich deutlich ausweiten und mich für eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte für Kolonialgeschichte stark machen.
Aber eine Grüne Kulturpolitik nach meinem Verständnis setzt sich nicht nur kritisch mit unserer Vergangenheit auseinander, sondern
stellt sich auch der allgegenwärtigen Monopolisierung und Vereinheitlichung der Kultur- und Medienangebote im Rahmen der Globalisierung entgegen und schafft alternative, nachhaltige und vielfältige Ausdrucksformen.
Und deshalb möchte ich mich gemeinsam mit euch für einen modernen und zeitgemäßen Kulturbegriff einsetzen: Street Art, Clubkultur, Games, Software und andere innovative Kunstformen gehören zukünftig ebenso gleichberechtigt gefördert, wie heute schon klassische Musik, Ballett, Theater und Oper. Denn nur so sichern wir die gesellschaftliche Relevanz und Akzeptanz für Jung und Alt, in der Stadt und auf dem Land – und nur so geht zukunftsfähige und nachhaltige Kulturpolitik!
Und Kunst und Kultur brauchen Raum, nicht nur ideell, sondern auch ganz real, denn immer mehr Ateliers, Bühnen, Clubs, Galerien und Proberäume müssen dem Renditehunger des Immobilienmarktes weichen. Über Jahre gewachsene Strukturen werden so zerschlagen und ganze Viertel verlieren ihre Identität und Lebensqualität. Deshalb brauchen wir dringend eine Stärkung des Mietrechts, das Kulturorte schützt und sie nicht länger als Gewerbe oder Vergnügungsstätten deklariert – damit Freiberufler*innen und soziale und kulturelle Angebote nicht mehr durch Kapitalinteressen aus ihren Vierteln vertrieben werden. Für kulturelle Vielfalt, für lebenswerte Nachbarschaften und lebendige Gemeinschaften!
Die Kürzung von Fördermitteln für Kultur und Medien ist mittlerweile gängige Praxis von Regierungen mit rechtspopulistischer Beteiligung. Unliebsamen Meinungen, alternativen Ansichten und gesellschaftlichen Gegenentwürfen soll so der Raum genommen werden. Auch in Deutschland machen die AfD und andere demokratiefeindliche Kräfte offen Front gegen die, wie sie es nennen, „links-grüne-versiffte“ Kultur- und Medienlandschaft und betreiben regelmäßig Hetze gegen unerwünschte Theaterinszenierungen, Ausstellungen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Deshalb müssen wir als Grüne die Freiheit und Unabhängigkeit der Kultur- und Medienlandschaft heute mehr denn je gegen die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verteidigen. Angriffe auf Journalist*innen und Politiker*innen, offene Anfeindungen, Angstmache und Einschüchterungen dürfen in der Kultur, in den Medien und in einer solidarischen und vielfältigen Gesellschaft keinen Platz haben!
Und deshalb brauchen wir einen starken und pluralistischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der die Lebenswelten aller Menschen in unserem Land abbildet und eine freie und vielfältige Presse- und Medienlandschaft – als deutliche Stimmen gegen Hass, gegen Verschwörungserzählungen und gegen rechte Propaganda.
Und nicht nur das! Politik muss endlich die Förderung von Kunst und Kultur als gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe ausreichend anerkennen! Sie darf nicht weiterhin nur freiwillige Leistung sein! Denn Jahr für Jahr müssen Kultureinrichtungen und Kulturschaffende erneut um Haushaltsmittel bangen. Damit muss endlich Schluss sein! Kultur muss als essentieller Teil der Daseinsvorsorge anerkannt werden. Sie muss endlich bundesweit zu einer Pflichtaufgabe werden!
Denn Kunst und Kultur, liebe Freundinnen und Freunde, sind der Kitt unserer Gesellschaft. Sie sind die Basis für ein gutes Zusammenleben in Freiheit und Demokratie.
Kulturelle Bildung und Teilhabe öffnen Horizonte und sind Voraussetzung für ein offenes und tolerantes Miteinander und damit nicht weniger als eine wesentliche Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Mein Name ist Jens Herrndorff. Ich kandidiere auf Listenplatz 8 und bitte um eure Stimme, damit wir gemeinsam dafür kämpfen, dass unsere Gesellschaft ihre Seele nicht verliert – und dieses Land wieder laut, bunt und vielfältig wird! Vielen Dank!